In der 2. Runde der Bezirksklasse mussten wir nach Kirchhellen reisen, wo wir auf die durchweg gut aufgestellte 3. Mannschaft der Gastgeber trafen. Zwar mussten wir auf zwei Stammspieler verzichten, dafür konnten wir aber erstmals an Brett 8 unseren starken Neuzugang Roland Drescher einsetzen – insofern gingen wir nicht gänzlich ohne Hoffnung an den Start. Natürlich ahnten wir da noch nicht, welch dramatischen Verlauf der Mannschaftskampf nehmen würde.
An Brett 7 musste Fedaa es mit einem übermächtigen Gegner aufnehmen. Unserem noch unerfahrenen und DWZ-losen 11-Jährigen saß als solider 1500er der erfahrene Bezirksvorsitzende Hans Georg Große gegenüber. Fedaa hielt gerade einmal 40 Minuten durch, dann musste er sich geschlagen geben. Kirchhellen ging erwartungsgemäß mit 1:0 in Führung.
Im Gegenzug sorgte Roland an Brett 8 dafür, dass sein Kirchellener Gegner von Anfang an keinen Fuß auf den Boden bekam. Daher dauerte es nicht lange, bis wir zum 1:1 ausgleichen konnten.
Während meine Partie ein wenig zäh dahinplätscherte, sah es an anderen Brettern eigentlich ganz interessant aus. So hatte Aaron an Brett 5 sich einen leichten Vorteil erarbeitet, Swantje stand an Brett 4 schon deutlich auf Gewinn, und Simon (Brett 3) hatte sich mit einem interessanten Figurenopfer mehrere Bauern am Damenflügel freigestellt.
Aber zunächst wurde ein Remis an Brett 6 verkündet. Mit seiner sehr sicheren Eröffnungsbehandlung bot Qixiang (Foto) seinem Gegner keine Angriffsfläche, und da auch Qixiang selbst nicht bereit war, auf Angriff zu spielen, einigte man sich eben auf ein friedliches Unentschieden – ein sehr gutes Ergebnis für den zweiten 11-Jährigen in unserer Mannschaft.
Kurz darauf beendete auch Aaron seine Partie mit einem Remis. Dem Gegner gelang es, seinen leichten Nachteil geschickt zu verwalten, und für Aaron, der ja erst noch Erfahrungen im Turnierschach sammelt, war der geteilte Punkt ohnehin ein Grund zur Freude. So stand es nach zwei Stunden 2:2.
Dann kam der Paukenschlag: Swantje, die ich aufgrund ihrer überlegenen Stellung insgeheim schon als sichere Siegerin verbucht hatte, verlor ihre Partie innerhalb weniger Züge, weil sie eine leicht abzuwehrende Mattkombination ihres Gegners völlig übersah. Diese Niederlage ging wie eine Schockwelle durch unsere Reihen, während die Kirchhellener angesichts der überraschenden 3:2-Führung erleichtert aufatmeten.
Nun wurde nur noch an den ersten drei Brettern gespielt. Joris hatte es an Brett 1 mit dem ältesten Kirchhellener Spieler zu tun. Der 17-Jährige traf auf den 93-Jährigen, und es sah nach einem engen, undurchsichtigen Kampf mit offenem Ende aus. Meine Partie war auf dem besten Weg in ein für mich leicht nachteiliges, aber gut zu haltendes Endspiel.
Die nächste Entscheidung fiel am 3. Brett. Aus Simons zwei verbundenen Freibauern war inzwischen ein Einzelgänger geworden. Den aber schützte Simon mit großer Umsicht und taktischem Geschick, wobei ihm die schwache Grundreihe des Gegners entgegenkam. Schließlich war der Vorstoß des Bauern nicht mehr bzw. bloß noch durch großen Materialverlust zu stoppen, sodass der Kirchhellener Spieler aufgab und Simon zu einem schönen Sieg gratulierte. Dieser Sieg bescherte uns den erneuten Ausgleich: 3:3.
Das schien Joris zu beflügeln. Mit aktivem Figurenspiel eroberte er sich einen Mehrbauern, tauschte den letzten noch gefährlichen Springer des Gegners ab und leitete so in ein Endspiel mit gleichfarbigen Läufern über. Um den Vormarsch des Freibauern zu stoppen, musste der Kirchhellener seinen Läufer opfern, womit die letzte Aussicht auf Verteidigung schwand. Durch diesen souveränen Sieg gingen wir mit 4:3 in Führung.
Nun hing es an mir, den Kampf womöglich zu gewinnen, wozu ein Remis in meiner Partie genügte. Doch ich hatte nicht meinen glücklichsten Tag erwischt. Das Remis-Angebot meines Gegners nach 12 Zügen hatte ich wegen des viel zu frühen Zeitpunkts ablehnen müssen. In der Zwischenzeit war ich jedoch trotz enormen Zeiteinsatzes nicht in der Lage gewesen, irgendeinen greifbaren Vorteil zu erarbeiten, im Gegenteil, die Abwicklung ins Turmendspiel verschaffte meinem Gegner trotz objektiv ausgeglichener Stellung eine leichte Initiative. Diese nutze er, um mich noch stundenlang mit untauglichen Gewinnversuchen zu quälen. Und es lohnte sich für ihn. Mit kaum noch Zeit auf der Uhr unterlief mir eine vermeintliche Ungenauigkeit, die mich dermaßen aufregte, dass ich den noch immer vorhandenen Weg zum Remis nicht sah und stattdessen glatt fehlzog und damit die Partie nach fünfeinhalb Stunden wegwarf.
Das 4:4 geht als Gesamtergebnis völlig in Ordnung. Allerdings profitierte Kirchhellen davon, dass zwei Leistungsträger auf unserer Seite schwächelten. Andererseits ist es schön zu sehen, dass diesmal der Nachwuchs die nötigen Punkte liefern konnte. Das spricht für ein gesundes Mannschaftsgefüge und lässt auf einen guten Saisonverlauf hoffen.